Am Wochenende durfte ich an einem außerordentlich erfolgreichen WordCamp Leipzig 2024 teilnehmen. Wie jedes WordCamp hinterlässt auch dieses bei mir ein wohliges Community-Gefühl, aber auch noch ein wenig mehr … stehen wir am Anfang eines neuen Kapitels deutscher WordCamps? 

Das MVP-Camp

Was unterscheidet Leipzig von anderen WordCamps? Schon das zweite Jahr in Folge bricht das Orga-Team des WordCamp Leipzig mit einigen Konventionen, die wir beim Organisieren von WordCamps in Deutschland vorher nie wirklich hinterfragt haben.

Ein Standard WordCamp besteht in Deutschland aus einem oder zwei Tagen Konferenz-Programm mit mehreren parallelen Vorträgen, einem Contributor Day, einer Warmup-Party, einer After-Party, Kaffee, Mittagessen, Kuchen, Call-for-Speakers, Abendessen und allerlei aufwändig gestaltetem Druckmaterial und Website, 10-25 Sponsoren und 200-300 Teilnehmende. Und in einem (vermutlich) unterbewussten Streben nach Perfektion und Professionalisierung haben WordCamp-Orgas (mich selbst eingeschlossen) in den letzten Jahren versucht noch besser und noch größer zu machen.

Nicht so in Leipzig. Getreu dem eigenen Motto „Hohe Qualität trifft minimalste Kosten“ ist dieses WordCamp die Antithese zu anderen deutschen Camps. Es versteht sich als MVP (minimum viable Product) und verzichtet daher auf alles, was nicht absolut notwendig ist. Was übrig bleibt ist eine eintägige Veranstaltung (dieses Jahr sogar mit Kaffee), nur ein einziger Vortrags-Track mit insgesamt acht Vorträgen, selbst gebackener Kuchen am Nachmittag und ein entspanntes Beisammensein am Abend. 

Was ist daran attraktiv?

Aus der Perspektive eines Besuchers ändern sich durch diesen Ansatz einiges. Tickets kosten zum Beispiel statt der üblichen 25 €/Tag nur 9 €. Mittag- und Abendessen sind nicht im Ticketpreis inklusive. Stattdessen schwärmen die Teilnehmenden in der Mittagspause aus und organisieren sich ihr Essen in einem der vielen Restaurants und Imbisse in der Umgebung.

Inhaltlich tut das der Veranstaltung keinen Abbruch. Ein kleines aber feines Vortragsprogramm zusammen mit vielen gut dimensionierten Pausen lässt echte WordCamp-Gefühle aufkommen. 

Wenn ich mir für einen Moment den Hut des ehemaligen (und zukünftigen) WordCamp-Organisers aufsetze, überwiegen klar die Vorteile. Statt mit einem Budget in den Zwanzigtausendern (wie andere deutsche Camps) blieb Leipzig deutlich unter 2.000 €. Im letzten Jahr gedruckte Banner waren ohne Jahreszahl gestaltet worden und können noch die nächsten Jahre eingesetzt werden. Das kleine Orga-Team musste sich nicht mit Nebensächlichkeiten wie der Organisation großer Partys aufhalten (und hat dennoch einen schönen Abend mit den Teilnehmenden gestaltet). 

Kurz gesagt: Der Aufwand für das Orga-Team hält sich in Grenzen und die Mitglieder des Teams laufen nicht Gefahr, in den letzten Zügen der Organisation komplett auszubrennen. Besonders schick wird das Ganze, und das zeigt Leipzig in diesem Jahr, wenn sich das Konzept verstetigt und jährlich stattfindende Camps hervorbringt. Ein eingespieltes Orga-Team, eine bekannte Location und ein erprobter Ablauf dürften das Rezept für nachhaltig organisierte und regelmäßige WordCamps sein.

Bernhard Kau hat genau das – und hier wird es etwas rekursiv – am Wochenende auf dem WordCamp in seinem Vortrag zu „WordPress-Events der nächsten Generation“ nochmal genauer erklärt, mit Zahlen unterfüttert und mit seinen Erfahrungen verglichen.

Leipzig als Vorbild 

Was das Ganze noch spannender macht: andere lokale Teams schauen schon mit Interesse auf das Leipziger Modell und ziehen ihre Schlüsse für kleinere lokale Camps. Und wenn die deutsche Community eine Sache gebrauchen kann, dann sind es mehr lokale WordCamps!

Das in Kombination mit einem größeren WordCamp Deutschland – das, wenn es nach mir geht, wunderbar nur alle zwei Jahre stattfinden kann – erscheint mir nach einer idealen Lösung. Weniger Stress für Organisator*innen. Weniger Ausbluten der Sponsoren, weil in Summe nicht 2-3 Mal pro Jahr 20.000 € aufgebracht werden müssen, sondern kleinere Summen, die sich über mehrere Camps und damit über ein vielfältigeres Publikum verteilen. Geringere Reisekosten für viele Teilnehmende. Ja, einige von uns werden auch weiterhin zu weiter entfernten WordCamps reisen und das ist wunderbar. Aber bei 4-5 kleinen WordCamps pro Jahr erhöht sich die Chance, dass zumindest eines davon als Tagesreise machbar ist.

Laura Herzog hat einen ähnlichen Ansatz vor der Pandemie vorgeschlagen. Ich finde dazu leider keine Quelle mehr, aber unter einem Titel wie „WordCamp Back to the Roots“ war auch ihr Ansatz, ein zentrales größeres Camp, mit kleinen lokalen Veranstaltungen zu kombinieren.

Ich für meinen Teil freue mich auf viele kleine Camps in allen Winkeln der Republik.